Unabhängiger Versicherungsmakler
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Wer entscheidet, was Unabhängigkeit bedeutet? Ein Berufsbild vor Gericht
Dürfen Makler mit Unabhängigkeit werben? Diese Frage beschäftigt derzeit Gerichte und Vermittlerschaft gleichermaßen. Im Interview schildern Versicherungsmakler Alexander Koch und die Rechtsanwälte Martin Klein und Björn Jöhnke, warum der Streit weit über einzelne Abmahnungen hinausgeht. Ein Gespräch über Prinzipien, Prozesse und die Frage, wer eigentlich definiert, was Unabhängigkeit bedeutet.
Herr Koch, Sie hatten wegen Ihrer Werbung mit dem Begriff Unabhängigkeit in erster Instanz das Nachsehen. Was war aus Ihrer Sicht der ausschlaggebende Punkt, weshalb das Gericht Ihre Unabhängigkeit infrage gestellt hat?
Alexander Koch Das Landgericht Köln (Urteil vom 06.03.2025 – Az. 33 O 219/24; Anm. d. Red.) hat entschieden, dass der Begriff „unabhängig“ in meinem Webauftritt irreführend sei. Obwohl ich dort klar und transparent erklärt habe, dass meine Vergütung durch den Versicherer erfolgt, sah das Gericht darin ein Problem.
Leider musste ich feststellen, dass die sehr oberflächliche Einstufung der Verbraucherzentrale, die jegliche Provisionsberatung pauschal als „abhängig“ und die Honorarberatung pauschal als „unabhängig“ definiert, vom Gericht schon vor dem Prozess fraglos mit der Prozesseröffnung übernommen wurde. Alle unsere vorher schriftlich und im Prozess mündlich eingereichten Einlassungen wurden zwar gehört, sie wurden aber nicht vertieft. Interessant war besonders, dass es Situationen gab, in denen der Richter seiner eigenen, vorher getroffenen These widersprochen hat, dies aber in der Folge keinerlei Auswirkungen hatte. Der entscheidende Punkt für das Urteil war somit aus meiner Sicht: Es wurde eine pauschale, sehr oberflächliche Behauptung der Verbraucherzentrale übernommen, ohne sich vorher mit der Komplexität der Beratungsrealität und Haftung von Versicherungsmaklern auseinanderzusetzen.
Herr Klein, Sie haben Herrn Koch vertreten. Wie beurteilen Sie dieses Urteil juristisch?
Martin Klein Die Begründung war in Teilen schlicht fehlerhaft. Es wurde unterstellt, mein Mandant hätte sich als unabhängiger Berater im Sinne der Gewerbeordnung dargestellt – das hat er nie getan. Zudem wurde eine objektive Irreführung angenommen, ohne zu bewerten, ob tatsächlich ein Verbraucher getäuscht wurde. Dass die Internetseite zwischenzeitlich angepasst wurde, fand ebenfalls keine Berücksichtigung. Aus meiner Sicht ein inhaltlich schwaches Urteil.
Herr Jöhnke, Sie vertreten einen Versicherungsmakler, der am Landgericht Leipzig in einem ähnlich gelagerten Rechtsstreit gewonnen hat. Was lief dort anders?
Björn Jöhnke Der Richter in Leipzig (Urteil v. 04.12.2024 – Az. 05 O 1092/24; Anm. d. Redaktion) hat sich intensiv mit dem konkreten Sachverhalt befasst. Er hat für sich erkannt, dass ein Makler, der transparent über seine Vergütung aufklärt und grundsätzlich alle Versicherungen vermitteln kann, sehr wohl als „unabhängig“ im marktwirtschaftlichen Sinne auftreten darf. Die Kernfrage lautete dort: Geht der Verbraucher wirklich davon aus, dass ein Makler gar kein Geld von Versicherern erhält? Die Antwort war: nein.
Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz zwischen den Urteilen?
BJ Die Urteile sind ein Spiegel der jeweiligen richterlichen Haltung. Im Wettbewerbsrecht spielt die subjektive Einschätzung des Gerichts – also wie ein durchschnittlicher Verbraucher denkt – eine zentrale Rolle. Das Problem: Viele Richter beziehen diese Einschätzung aus dem eigenen Alltag und nicht aus empirischen Daten. Sie betrachten sich gewissermaßen selbst als Maßstab für die öffentliche Wahrnehmung. Mal heißt es: „Ich bin selbst Versicherungsnehmer, ich weiß, wie das läuft.“ Und dann fällt das Urteil eben entsprechend aus.
Das klingt ziemlich willkürlich.
MK Ja, genau das ist das Problem. Es gibt keine einheitliche Linie. Am Landgericht Köln wird anders entschieden als am Landgericht Leipzig oder andernorts. Dabei ist der zugrunde liegende Sachverhalt oft identisch. Die Interpretation des Begriffs „unabhängig“ schwankt, obwohl die Rechtslage aus unserer Sicht klar ist. Der Makler steht auf der Seite des Kunden, nicht der Versicherer.
AK Das ist wie ein Würfelspiel. Zwei Seiten stehen sich gegenüber – wir als Makler mit dem Anspruch auf kundenorientierte Beratung und die Verbraucherzentrale mit ihrem ideologisch beeinflussten, sehr vereinfachten Blick. Dazwischen sitzt ein Richter mit eingeschränktem Marktverständnis, aber der Überzeugung, mit seiner juristischen Vorbildung allein repräsentativ für die normale Kundenwahrnehmung zu sein.
Herr Koch, Ausgangspunkt des Rechtsstreits war eine Abmahnung der Verbraucherzentrale. Wie bewerten Sie deren Vorgehen?
AK Ehrlich gesagt: sehr enttäuschend. Ich habe auf die Abmahnung sofort schriftlich reagiert. Ich habe den kritisierten Webtext gemäß den Wünschen der Verbraucherzentrale überarbeitet und auf transparente Darstellung geachtet. In meinem Schreiben an die Verbraucherzentrale habe ich diese Änderungen kenntlich gemacht und um kooperativen Austausch gebeten. Trotzdem wurde ohne Rücksprache Klage eingereicht – auf Basis der alten Internetseite. Sämtliche Überarbeitungen und mein Kooperationsangebot wurden ignoriert. Das zeigt, dass es hier nicht um Verbraucherschutz geht. Es geht um einen ideologisierten Scheinkampf auf Kosten von uns Versicherungsmaklern und letztendlich auch der Verbraucher.
Herr Klein, hätten Sie sich ein anderes Verhalten der Verbraucherzentrale gewünscht?
MK Definitiv. Es gab keine Bereitschaft zum Dialog. Mein Mandant war offen für eine außergerichtliche Lösung, doch die Gegenseite hat das ignoriert. Statt gemeinsam eine rechtssichere Darstellung zu entwickeln, wurde der Streit eskaliert. Inzwischen geht es offenbar nicht mehr um Aufklärung, sondern um das Sammeln von Urteilen.
BJ Auch in unserem Verfahren hat die Verbraucherzentrale kein Interesse an einem Vergleich gezeigt. Es geht um ein Exempel. Der Eindruck entsteht, dass hier bewusst Druck aufgebaut wird, um eine marktweite Klärung herbeizuführen – koste es, was es wolle. Das widerspricht dem eigentlichen Anspruch der Institution: Verbraucher aufklären, nicht Prozesse führen.
Zumal die Verbraucherzentrale staatlich unterstützt wird …
AK Das ist der Grundkonflikt. Über Steuern wird die Verbraucherzentrale teilfinanziert – also auch von Maklern. Wir Makler zahlen damit indirekt für unsere eigene Abmahnung. Das ist schwer nachvollziehbar. Vor allem, wenn die gleiche Verbraucherzentrale auf ihrer Website Makler empfiehlt, wenn es um komplexe Risikothemen geht. Das ist widersprüchlich. O
Welches Licht fällt dadurch auf die Verbraucherzentrale?
MK Bei der Verbraucherzentrale liegt vor allem ein Mangel an Marktkenntnis vor. Die Argumentation basiert häufig auf theoretischen Annahmen statt auf echter Verbrauchererfahrung. Statt eigene Befragungen durchzuführen, wird spekuliert, wie ein Verbraucher denkt. Das führt zu Fehleinschätzungen. Eine offene Verbraucherbefragung wäre ein erster Schritt zu mehr Realitätssinn.
AK Die Verbraucherzentrale sagt, sie handele im Sinne der Verbraucher. Aber fragt sie diese auch? Aus meiner Sicht fehlt der Dialog mit der Lebensrealität. Es wird verurteilt, statt zu kommunizieren. Statt Differenzierung gibt es pauschal formulierte Anklagen.
Hinzu kommt: Beide Seiten – Versicherungsmakler wie ich und die Verbraucherzentrale – vertreten ihre Positionen mit großer Vehemenz. Das ist grundsätzlich legitim. Aber dazwischen sitzt ein Richter, der entscheiden muss. Erfahrungsgemäß steht der Begriff „Verbraucherschutz“ emotional höher im Kurs als der Begriff „Versicherungsmakler“. Das Problem dabei: Der Kern des Rechtsstreits gerät aus dem Fokus. Es entsteht ein emotionaler Kampf um pauschale Begrifflichkeiten auf sehr oberflächlicher Ebene. Die sachbezogene Analyse der Beratungspraxis beim Kunden mit den unabhängigen Beratungspflichten des Versicherungsmaklers verliert sich hierbei.
Herr Koch, was bedeutet das laufende Verfahren für Ihre tägliche Arbeit als Makler?
AK Vor allem eines: Es kostet Zeit, Energie und Geld. Ressourcen, die ich lieber in die Beratung meiner Kunden investieren würde. Stattdessen beschäftige ich mich mit juristischen Feinheiten und Webtexten. Das ist fachfremd, aufreibend und belastet.
Konkret habe ich die Website überarbeitet und an mehreren Stellen noch klarer und repräsentativer formuliert, wie unsere Vergütung funktioniert. Inhaltlich hat sich dadurch wenig geändert, aber die Darstellung ist jetzt noch deutlicher. Im Tagesgeschäft selbst spüren wir wenig Reaktion. Unsere Kunden kennen uns. Das hier diskutierte Thema war in den letzten 25 Jahren nie ein Problem in meiner Beratungspraxis. Jedem Kunden war und ist klar, dass wir von den Versicherern über Provisionen bezahlt werden. Wie sollte das auch anders sein, wenn wir kein Honorar von unseren Kunden nehmen?
Wie reagieren die Kunden?
AK Überwiegend mit Verständnis. Viele schütteln den Kopf, wenn sie hören, worum es geht. Manche haben sich das Verfahren sogar auf unserer Website angeschaut – wir dokumentieren den Ablauf dort in allen Details sehr transparent. Das schafft Vertrauen. Die Kunden sehen, dass wir für unsere Überzeugung einstehen und kämpfen, auch wenn wir dadurch keinen geschäftlichen Mehrertrag haben. Wir sind dadurch noch interessanter und glaubwürdiger für unsere Kunden und Geschäftspartner.
Es geht uns bei diesem Prozess auch um Haltung. Für mich wäre es ein Leichtes gewesen, das Wort „unabhängig“ einfach zu streichen. Ich halte das aber für falsch! Wir sind an keinen Versicherer gebunden, wir haben gesetzlich die Verpflichtung, für den Kunden versichererübergreifend den richtigen Schutz am Markt zu suchen, wir haften für unsere Versicherungsempfehlungen, wir sind Sachwalter des Kunden und stehen somit in seinem Lager. Wenn ich als Versicherungsmakler das alles und noch mehr erfüllen muss, warum soll ich mich dann nicht „unabhängig“ nennen dürfen?
Was treibt Sie an, diesen Weg trotz der Belastung konsequent weiterzugehen?
AK Es ist eine Frage des Berufsethos. Ich verstehe mich nicht als bloßer Produktvermittler. Ich vertrete die Interessen meiner Kunden – mit Sachverstand, Verantwortung und Überzeugung. Wenn ich den Begriff „unabhängig“ aus Opportunismus streichen würde, wäre das ein Kniefall vor einem Bild, das meinem Selbstverständnis widerspricht. Ich will mir selbst, meinen Kunden und auch meinen Kindern in die Augen schauen und mit Stolz sagen können: Ich bin unabhängiger Versicherungsmakler in den Diensten meiner Kunden.
Der Rechtsstreit über den Begriff „unabhängig“ berührt das grundlegende Berufsbild des Versicherungsmaklers. Welche Rolle sehen Sie hier für die Vermittlerverbände?
MK Eine zentrale Rolle. Es geht längst nicht mehr nur um einen einzelnen Makler und dessen Website. Der Begriff „unabhängig“ betrifft das gesamte Berufsverständnis. Wenn Gerichte beginnen, ihn grundsätzlich infrage zu stellen, dann ist das eine berufsständische Aufgabe. Die Verbände müssen dieses Thema offensiv aufnehmen und nicht nur am Rande oder gar nicht behandeln.
Was heißt das konkret?
MK Öffentlichkeitsarbeit, juristische Unterstützung, politische Kommunikation. Es braucht eine klare Positionierung: Was ist ein Makler? Was bedeutet Unabhängigkeit im heutigen Markt? Und: Warum ist der Angriff auf diesen Begriff letztlich ein Angriff auf einen essenziellen Bestandteil des Berufsbilds? Wer die Frage nach der Unabhängigkeit allein dem Einzelfall überlässt, riskiert langfristig eine Aushöhlung des Berufsstandes. Wenn sich die Branche nicht positioniert, übernimmt das irgendwann jemand anderes – im Zweifel die Verbraucherzentrale oder das nächste Gericht.
BJ Der Begriff „unabhängig“ ist nicht nur ein Werbewort – er beschreibt eine Haltung, eine gesetzlich definierte Rolle. Wenn dieser Begriff durch Abmahnungen und Urteile entwertet wird, verliert der Makler an Profil. Die Verbände müssen das erkennen und Verantwortung übernehmen. Gerade weil viele Makler als Einzelunternehmer nicht die Ressourcen haben, diesen Streit allein zu führen.
Was raten Sie Versicherungs- maklern, die jetzt verunsichert auf ihre Website schauen? Wie sollten sie mit dem Begriff „unabhängig“ umgehen?
BJ Ich sehe zwei Typen von Maklern: Die einen sagen, sie wollen keine gerichtliche Auseinandersetzung, und streichen das Wort vorsichtshalber. Die anderen bleiben bei ihrer Überzeugung und sind bereit, dafür auch vor Gericht zu gehen – das sind die Prinzipientreuen. Beide Wege sind legitim. Es kommt auf Haltung, Ziel und Ressourcen an. Wer sich für den zweiten Weg entscheidet, sollte vorbereitet sein: rechtlich, kommunikativ und strategisch.
MK Zunächst sollte man prüfen, wie der Begriff eingebettet ist. Wer „unabhängig“ schreibt, muss klarstellen, was damit gemeint ist – idealerweise mit einem Hinweis auf die Vergütung. Transparenz ist entscheidend. Und: Reagieren hilft. Wer auf eine Abmahnung eingeht und bereit ist, seine Darstellung zu überarbeiten, zeigt Kooperationswillen. Das kann in einem späteren Verfahren positiv wirken – auch wenn es im konkreten Fall, wie bei uns, leider ignoriert wurde.
Wie geht es in den jeweiligen Verfahren nun weiter?
BJ In unserem Fall hat die Verbraucherzentrale natürlich bereits Berufung eingelegt, die Verhandlung wird voraussichtlich im September vor dem Oberlandesgericht Dresden stattfinden. Im Moment herrscht juristisch gesehen daher Ruhe. Aber klar ist: Die Gegenseite will das Thema hochziehen – idealerweise bis zum Bundesgerichtshof.
Herr Klein, Herr Koch, was planen Sie konkret für die nächsten Schritte?
MK Wir haben selbstverständlich Berufung vor dem Oberlandesgericht Köln eingelegt. Darauf wollen wir uns gut vorbereiten – fachlich, strategisch und kommunikativ. Wir wissen, dass wir argumentativ in die Tiefe müssen. Deshalb bereiten wir eine Verbraucherbefragung vor. Wir wollen zeigen, was Kunden wirklich unter Unabhängigkeit beim Versicherungsmakler verstehen – nicht nur, was Juristen oder Verbraucherschützer vermuten.
AK Wir denken aus dem Grund darüber nach, die Verbrauchersicht für das Gericht zu objektivieren und in diesen Prozess einzubringen. Wir suchen aktuell ein objektives Umfrageinstitut für eine repräsentative, objektive Umfrage. Hier wollen wir mit einer einfachen freien Frage agieren, die lauten könnte: „Wann ist für Sie ein Versicherungsvermittler unabhängig?“
Hier wären keine Antworten vorgegeben und es liegt auch keine Steuerung der Antworten durch Ankreuzoptionen etc. vor. Es würde sich somit um die freien Antworten vieler durchschnittlich informierter Verbraucher handeln. Das macht die Befragung in der Auswertung leider sehr teuer, und das könnte zum Problem werden. Wir denken aber, dass so erstmalig die reale Wahrnehmung der Kunden in diesem Prozess Beachtung finden könnte. Wir möchten zeigen, dass ein durch die Verbraucherzentrale auf Steuerkosten künstlich geschaffenes Problem in der realen Wahrnehmung der realen Beratungswelt gar nicht existiert. Wir gehen somit den Weg, den die Verbraucherzentrale aus unserer Sicht vor ihrer Klage hätte gehen müssen.